Das Aachen-Blog

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Und jeden Morgen die Hoffnung, dass die Ampel rechtzeitig umspringt…

Heute Morgen geht er wieder ab wie die Rakete. Fliegt aus dem Haus, die Türe knallt ins Schloss, er zündet den Turbo, ein kurzer Blick nach links, die Dorfstraße hoch Richtung Eifel, okay, das schafft er. Die Umhängetasche, zu der die jungen Leute heute Schultasche sagen, fliegt – flott um die Schulter geworfen – die langgestreckte Gerade runter Richtung Friedhof durch die Luft hinter ihrem sprintenden Träger her.

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Der Schulbus, mit dem der junge Mann – nennen wir ihn einfach Ole – jeden Morgen diesen Wettlauf bis zur Haltestelle austrägt, rollt indes näher und näher. Jetzt kommt der entscheidende Moment des Morgens, unser Dorfmeister im Sprint passiert die Fußgängerampel, die rüber zum Kindergarten führt, sticht im vollen Galopp mit dem rechten Zeigefinger den Taster bis zum Anschlag und legt noch ein Schippe drauf.

Die Älteren im Ort glauben, dass Ole für Olympia trainiert. Die Wahrheit ist banaler: Er reizt seinen Aufenthalt am Frühstückstisch immer bis auf die letzte Sekunde aus und hat dann einen Turbostress, den Bus zu kriegen. Erst wenn Ole den roten Diesel vom Küchenfenster aus im Dunst des frühen Morgens nahen sieht, kommt er in die Hufe. Auf die Plätze, fertig, los…

Heute geht alles glatt: Kaum dass der Bus sich der Fußgängerampel nähert, springt die auf Rot. Perfektes Timing! Applaus wäre angebracht. Doch so wach wie Ole sind die meisten um diese Uhrzeit noch nicht. Diese Zwangspause schafft unserem jungen Schulbussprinter auf alle Fälle den nötigen Vorsprung, den er braucht, um das Rennen zur Haltestelle zu gewinnen.

Hinweise darauf, dass er sich diesen Stress jeden Morgen durch fünf Minuten früheres Aufstehen, Duschen, Anziehen und Frühstücken ersparen könnte, prallen am Kurzstreckenkönig ab. Sagt sein Vater. Es gibt Freunde, die behaupten, er bräuchte diesen Kick am Morgen, um gut in den Tag zu kommen.

Und dann gibt es ja immer noch Papa und das Auto. Für den Fall, dass die verdammte Fußgängerampel mal zu spät umspringt. Mitdembusumdiewetterennen ist wie das richtige Leben – kannst nich‘ immer gewinnen, Alter!

Überführt: Paul klaut die Kippen „von der Nico seine Mutter“

Am Ende war es der Paul. Er hat die Zigaretten geklaut. Tausendprozentig, „dat war der Nico nich'“, sagt seine Mutter, wie Mütter eben über ihre Kinder reden. Der Nico war’s auf keinen Fall, aber sein Freund Paul, klar.

Die Mutter, so erzählt sie das einer Bekannten im Bus, hat den Nico „morjens bei de Omma abjeholt, krepierde Ferien, man weiß ja jar nich‘, wohin mit de Kinder!“ Auf alle Fälle ist sie rein ins Zimmer, der Nico und Kumpel Paul (der auch mit zur Omma durfte) schliefen noch, da lagen doch Zigaretten neben Nicos Bett! „Ich denk‘, ich seh nich‘ richtig! Hab ich denen jeweckt: Wo kommen die Kippen her???“

zigaretteZuerst hat sich wohl die Oma noch schützend vor die Jungs geschmissen und behauptet, die Zigaretten wären von ihr. „Aber meine Mutter hat noch nie jequalmt, verstehste, dat war also Quatsch.“

Die Mutter redet sich in Rage, im Bus wird es still und stiller. Und spätestens als sie von „der polnischen Banderole um die Dose“ erzählt, hätte man eine Stecknadel fallen hören. „Ich hab se direkt erkannt. Dat waren die Kippen, die der Diddi damals vor zehn Jahren anjeschleppt hat, wie’e die Autos da rüberjebracht hat – erinnerstedichnochdranwa!“

Nun lagen die Kippen, die „zum Kotzen schmeckten“ und „die ich aber immer noch in der Küchenschrank hatte“, bleischwer neben Nicos Bett bei de Omma. Um es kurz zu machen: Nico ist sofort eingeknickt, hat Paul ans Messer geliefert: „Deä war et, Mama!“ Worauf Paul aufgesprungen ist und Hals über Kopf Omas Wohnung verlassen hat.

Paul lebt nun mit einem Ultimatum. „So einem kannste ja nich‘ trauen“, sagt die Mutter, und alle im Bus nicken. „Ich hab’n Pöttchen mit Kleinjeld in de Küche. Weißte, dann is dat auch bald weg!“

Ach ja, das Ultimatum: Nico muss Paul simsen, dass er bis abends um 8 nun Zeit hat, sich zu entschuldigen. Ansonsten: „Bin ich morjen früh bei dem seine Mutter!“

Stille, weil die Geschichte zu Ende ist. Eine Form von Betroffenheit macht sich im roten Aseag-Bus breit. Eine ältere Frau stellt schließlich die Frage, die eigentlich alle bewegt: „Wie alt sind de Jungens denn?“

Worauf die Mutter sagt: „Dr Nico is‘ neun, un dr Paul, jlaub ich, zehn.“

Das wiederum bringt die Gespräche unter den Busgästen wieder in Fahrt.

Karl Kaisers Kinder, so reden sie. Heute: Keeper! Dem wahren Leben abgelauscht.

Dialog im Bus, Linie 41, von draußen rein in die Stadt. Zwei ältere Öcher Damen im Gespräch, zu Füßen der einen ein Hund. Entfernt mit einem Cockerspaniel verwandt, könnte auch ein Dackel dran beteiligt gewesen sein.

Öcher Dame I: Auch mit der Bus heute?
Öcher Dame II: Ja. Bei dat Wetter. Jeh ich jleich mit der Hund ze Fuß zerück.
I: Ene nette Hund!
II: Ja, dat is der Keeper.
I: Pieper?
II: Nein, Keeper.
I: Fieper?
II: KEEPER. Mit K wie Kaiser Karl.
I: Ach so. Wat is dat denn, ene Kieper? Wat soll dat heißen?
II: Dat weiß ich auch net, deä heiß‘ einfach eso.
I: Ja, aber Se müssen sich doch wat dabei jedacht haben!
II: Deä is‘ net von mich, deä is‘ von die jungen Leute in et Haus. Die sind über et Wochenende weg, dann hab‘ ich dem immer.
I: Ach so. Dat is aber ene Liebe, wa!
II: Sehr lieb, deä bellt kaum.
I: Ja.
II: Seijvert wohl.
I: Aber net eso wie meine Mann. (lacht sich kaputt)

(Pause).

I (offiziell): Was haben wir ein Wetter!
II: Herrlisch.
I: Und de Bäume hängen eso voll mit Obs‘!
II: Einmalig. Wir haben Äppel, ene schöne Kocksoransch, Äppel, wir könnten ene Laden aufmachen, hab ich heut‘ morjen noch an meine Mann jesagt.
I: Aber et is ja alles in Hülle und Fülle da. Wir haben Wahlnüsse, körbeweise!
II: Hab ich jern, Wahlnüsse. Sind ja auch jut für dr Cholesterin.
I: Und dr Zucker.

(Pause, der Bus rollt Richtung Haltestelle Burtscheid. II macht Anstalten zu gehen)

I: Müssen Se eraus?
II: Ja, wir zwei jehen jetz‘ auf der Markt und dann ze Fuß zerück. Wa, Keeper!
I: Kieper. Ich komm‘ net über deä Nam! Wird dat mit „ie“ jeschrieben.
II (im Gehen begriffen): Dat weiß ich nit, aber dat is der Keeper auch ejal, wa Jung. (Zum Hund) Du kanns‘ ja überhaup‘ nich‘ lesen. Tschö! (Ab)

I (jetzt allein, für sich): Kieper! Wat kann man e so Tier antun…