Das Aachen-Blog

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Mit dem Bus durch Aachen. Raemonn sagt am Jason: „Alter, ich auch!“

Neuerdings fahre ich mehr Bus. Morgens zur Arbeit, abends zurück. Das ist entspannter, als mit dem Auto in die Stadt zu stoppandgoen. Gerade jetzt, wo Weihnachtsmarkt ist. Und es ist auch noch deutlich kommunikativer.

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Der Typ, der im Gelenkbus verzweifelt an der Haltestelle auf den Türöffner drückt – ohne Erfolg – brüllt durch den Bus in Richtung Fahrer: „Hey, mach mal auf hier!“ Und dann flucht er und motzt. Sagt am Ende, als all das keinen Effekt hat, weil die Tür nicht auf-, dafür aber die Reise weitergeht: „De Asejag is‘ unfreundlich jeworden!“ Klar, meldet sich eine Frau, „et is ja auch Weihnachtsmarkt.“ Die Umstehenden nicken. Klar.

Großartig die jungen Mütter, die mit ihren Kindern kurz darauf einsteigen und sich in einem geradezu unbarmherzigen Dialog bis zum Bushof ohne Pause beballern. Am Anfang stellt sich bei den zum Zuhören Verdammten das Gefühl ein, sie besprächen eine der vielen amerikanischen Serien nach, die im Fernsehen Sendezeit verdampfen.

Irgendwann wird klar, sie sprechen von daheim. Geoffrey, Raemonn, Jason, Susann, Leeroy – das sind ihre Kinder. Geoffrey hat am Samstag Fußball jespielt, erfahren wir – „un da hat deä Doof ene Ball voll auf et Jesich‘ jekrisch'“.

Zwischenzeitlich keäkt dr Raemonn, der gerade laufen kann, ohne Gnade und Unterlass durch den Bus. Ein witziges Kerlchen, das plötzlich schweigt, weil er aus einer Limopulle große Züge nimmt, und dem der ebenfalls mitreisende und nicht viel ältere Jason jetzt zuruft: „Hey Alter, ich auch!“

Busfahren in Aachen – daraus könnte hier an dieser Stelle ein Fortsetzungsroman werden. Vermute ich mal so, Alter!

Überführt: Paul klaut die Kippen „von der Nico seine Mutter“

Am Ende war es der Paul. Er hat die Zigaretten geklaut. Tausendprozentig, „dat war der Nico nich'“, sagt seine Mutter, wie Mütter eben über ihre Kinder reden. Der Nico war’s auf keinen Fall, aber sein Freund Paul, klar.

Die Mutter, so erzählt sie das einer Bekannten im Bus, hat den Nico „morjens bei de Omma abjeholt, krepierde Ferien, man weiß ja jar nich‘, wohin mit de Kinder!“ Auf alle Fälle ist sie rein ins Zimmer, der Nico und Kumpel Paul (der auch mit zur Omma durfte) schliefen noch, da lagen doch Zigaretten neben Nicos Bett! „Ich denk‘, ich seh nich‘ richtig! Hab ich denen jeweckt: Wo kommen die Kippen her???“

zigaretteZuerst hat sich wohl die Oma noch schützend vor die Jungs geschmissen und behauptet, die Zigaretten wären von ihr. „Aber meine Mutter hat noch nie jequalmt, verstehste, dat war also Quatsch.“

Die Mutter redet sich in Rage, im Bus wird es still und stiller. Und spätestens als sie von „der polnischen Banderole um die Dose“ erzählt, hätte man eine Stecknadel fallen hören. „Ich hab se direkt erkannt. Dat waren die Kippen, die der Diddi damals vor zehn Jahren anjeschleppt hat, wie’e die Autos da rüberjebracht hat – erinnerstedichnochdranwa!“

Nun lagen die Kippen, die „zum Kotzen schmeckten“ und „die ich aber immer noch in der Küchenschrank hatte“, bleischwer neben Nicos Bett bei de Omma. Um es kurz zu machen: Nico ist sofort eingeknickt, hat Paul ans Messer geliefert: „Deä war et, Mama!“ Worauf Paul aufgesprungen ist und Hals über Kopf Omas Wohnung verlassen hat.

Paul lebt nun mit einem Ultimatum. „So einem kannste ja nich‘ trauen“, sagt die Mutter, und alle im Bus nicken. „Ich hab’n Pöttchen mit Kleinjeld in de Küche. Weißte, dann is dat auch bald weg!“

Ach ja, das Ultimatum: Nico muss Paul simsen, dass er bis abends um 8 nun Zeit hat, sich zu entschuldigen. Ansonsten: „Bin ich morjen früh bei dem seine Mutter!“

Stille, weil die Geschichte zu Ende ist. Eine Form von Betroffenheit macht sich im roten Aseag-Bus breit. Eine ältere Frau stellt schließlich die Frage, die eigentlich alle bewegt: „Wie alt sind de Jungens denn?“

Worauf die Mutter sagt: „Dr Nico is‘ neun, un dr Paul, jlaub ich, zehn.“

Das wiederum bringt die Gespräche unter den Busgästen wieder in Fahrt.

Aktuelle Aachen-Lesetipps

Unfassbares Wetter in des Kaisers Stadt. Was bleibt? Nicht das Schlechteste: lesen!
Wer in drei richtig gute Zeitungsstorys aus Aachen surfen möchte, dem sei das Folgende empfohlen.

Zum Schmunzeln:
Öcher Platt bei der Roten Flotte verpönt ist ein wunderbares Lesestück, in dem Werner Breuer aus der AN-Lokalredaktion Aachen-Stadt die Überlegungen thematisiert, künftig in den Bussen der Aseag die Haltestellen in Öcher Platt ansagen zu lassen. Was in Köln und München wohl funktioniert, wird in Aachen eher kritisch gesehen, zumindest bei den Chefstrategen im Reich der großen roten Diesel. Schade: Niekste Stopp, Keijserpläij – also mir hätte das gefallen.

Zum Staunen
Acht, vier oder zwei Millionen? Dieser Frage geht unser Sportchef Christoph Pauli in AZ und AN nach und kommt zu dem verblüffenden Ergebnis, dass eigentlich gar nichts klar ist. Ob das Riesentalent Lewis Holtby jetzt tatsächlich zu Schalke oder sonstwohin wechselt, steht noch in den Sternen. Oder bleibt er am Ende gar am Tivoli? Pauli fragt nach – und Sportdirektor Bornemann würde sich über mehr Bewegung in der Angelegenheit freuen.

Zum Diskutieren
Viel zu wenig Gesamtschulplätze! Das beklagen tausende Eltern in NRW! Verhindert die Landesregierung mit aller Macht die Gründung neuer Gesamtschulen? Ist das sinnvoll? Beugt die Politik den Elternwillen? Rund 250 Kinder haben in Aachen nun schon im zweiten Jahr in Folge keinen Gesamtschulplatz gefunden. Und in Sankt Augustin, stellen unsere Redakteure Marlon Gego und Thorsten Karbach heraus, haben in einer Umfrage 64 Prozent aller Eltern angegeben, dass sie ihre Kinder an der Gesamtschule anmelden würden – wenn denn die Plätze zur Verfügung stünden. In der Weiterdrehe auf der Regionseite der Tageszeitungen prallen die unterschiedlichen Haltungen aufeinander. Ein aufschlussreiches Stück.