Für mich sind solche Tage wie dieser ein Fest. Herman van Veen am Telefon. Ein Interview mit einem, der die Welt und die Menschen versteht, sich darüber freut und darunter leidet. Ein freundlicher Mann, ein nachdenklicher. Die neue CD ist da, „Im Augenblick“ heißt sie (Besprechung folgt etwas tiefer), und Van Veen hat wieder viel zu sagen.
So sieht die neue CD aus, das Cover.
Die Songs kenne ich im niederländischen Original seit dem Konzert-Besuch im Theater Carré Amsterdam vor einem Jahr. 40 Abende hat er da gespielt, ausverkauftes Haus, Ovationen, wenn er die Bühne betritt. Unfassbar. Das Foto vom Schlussapplaus als kleiner Beleg.
Herman van Veen, wieviele Menschen er nun schon so lange begleitet, ihr Leben schöner macht. Bei youtube schaue ich gerne schon mal hier rein. Mein Lieblingsvideo, Anne, 1998, Theater Carré:
Nun also meine Besprechung der neuen van Veen-CD in der Aachener Zeitung/den Aachener Nachrichten (Druckausgabe Samstag, 19. September), die ich mit einigen Passagen des Gesprächs verschnitten habe:
Im Augenblick sieht er die Welt so
Herman van Veen stellt seine neue CD vor und enttäuscht seine Fans nicht. Der aktuelle Blick auf die Erinnerungen. Vieles, was noch vor Jahren klug und richtig schien, hat sich im Laufe der Zeit verändert.
Von Bernd Büttgens
Eins vorab für die Fans: Er ist sich natürlich treu geblieben. Das gerade veröffentlichte neue Album Im Augenblick ist ein schönes Stück Herman van Veen pur. Da ist er wieder, der unangepasste Melancholiker, der sanfte Rebell, und seine Töne sind nach wie vor ein Plädoyer für den aufrichtigen Menschen. Das wird so bleiben.
Und doch ist der komponierende Maler, der als singender Regisseur die Geige im Anschlag hat, immer am Anfang. Ich habe absolut keine Phantasie, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. Ich erinnere mich in meinen Liedern. Und der Prozess, der mich ein Künstlerleben beschäftigt, ist die Veränderung dieser Erinnerungen. Vieles, was noch vor Jahren klug und richtig schien, sagt er, habe sich im Laufe der Zeit verändert.
Seiten: 12
Musikhempi sagt:
Oldenburg, 31.10.09
Leider muss man die eigentlich stets euphorische Aufnahme von Herman van Veens Konzerten/Liedern/Performance gegenwärtig ein bisschen zurückschrauben. Deshalb folgende Einschätzung von mir, der ich van Veen seit fast 30 Jahren begleite und allmählich zu dem Schluss komme:
Herman van Veen zitiert sich nur noch selbst
Gestern gastierte Herr van Veen in der Weser-Ems-Halle in Oldenburg.
Obwohl seit 1968 vierzig Prozent des van Veen-Publikums gestorben sein sollen, ist der Saal sehr gut besucht. Die Erwartungen sind hoch. Was hat der Star für diesen Abend mitgebracht? Zunächst mal muss man feststellen er hat den Vorhang vergessen. Die Bühne liegt in blaues Licht gehüllt gänzlich unverhüllt da. Ein nicht zu unterschätzendes Mosaik. Zu Beginn darf das Publikum lernen zu regnen ein einfacher aber schöner Effekt. Darauf scheißen die Tauben Amsterdam weiß und es regnet und regnet und regnet, und wenn es nicht regnet dann fängt es an zu regnen. Mit diesem Opener ist van Veen schon seit gut 2 Jahren unterwegs (auch hier in Oldenburg in der Kulturetage nur mit Edith Leerkes mit unter vier Augen). Ebenso verhält es sich mit zahlreichen anderen Stücken: Die beiden Hunde, die sich an der ehemaligen Mauer anpinkeln, das Fieberthermometer hinterm Ohr, Amsterdam Flussviertel, Bei mir, Anne, die göttliche Psychose, Anders anders, Johnny, der Klavierhocker, Für Marie-Louise etc.
Van Veen hat nicht wirklich viel neues im Gepäck, es gibt nicht mehr wie früher einen roten Faden und die überwältigende Dichte, den schmerzenden, jähen Wechsel von tiefem Ernst zum heiteren, absurden oder komischen Clown und zurück. Alles wirkt angerissen, nicht ernsthaft, es plätschert so dahin. Das Publikum ist gut und vergisst nicht sofort zu regnen (ein Teil des Publikums reibt sich die Hände, ein Teil schnippt und ein dritter Teil klopft die Schenkel), wenn Herman van Veen das Wort Regen fallen lässt. Kurz vor der Pause scheint ganz kurz, viel zu kurz auf, was man sonst vermisst: Michelangelo schafft Götter aus Stein und van Gogh zaubert aus einem Farbtopf die Sonne aber alle diese großen Männer machen Pippi. Früher gab es Momente, da schien die Zeit für einen Moment im Saal still zu stehen, wenn van Veen Lieder sang wie Ich hab ein Zeichen an Deiner Stirn gesehen, Grand Hotel Deutschland, You take my breath away, Was ich Dir singen wollte, Alles unter einem Hut, Möglicherweise ein Walzer, Ochtend in de stad, Laat me/Lass mich
Du bist die Ruh oder selbst Amsterdam Flussviertel. Heute scheint es, als ob es keine Zeit mehr gäbe, das Konzert gerät ein bisschen zu einer fahrigen Werkschau, die leider nicht wirklich gelingt. Der gewählte Titel der Vorstellung Im Augenblick erklärt sich im Laufe des Abends nicht, der leider zu schnell zu Ende ist. Die Erwartungen an den Abend werden nicht erfüllt, da van Veen zwar die Zahl der begleitenden Musiker erhöht hat, nicht aber das musikalische Spektrum erweitert. Eine weitere Geige ist kein Saxophon, Akkordeon oder eine Klarinette durch solche Instrumente entstanden früher wunderbare Momente und Klangfarben, die man schmerzlich vermisst. Bei den Zugaben beschränkt sich van Veen auf deren zwei die Zeit tickt dir eine kleine Frist und Ohne dich- schöne Lieder ohne Zweifel, aber auch schon seit Jahren die gleichen. Es gäbe so viel aus dem riesigen Repertoir van Veens darzubieten was das Publikum genießen würde aber es bleibt ungehört.
Die Tournee hat gerade gut begonnen. Zu hoffen bleibt, dass van Veen das Konzept der Vorstellungen schärft und seinem treuen Publikum etwas mehr (Neues) bietet gerade auch angesichts der nicht unerheblichen Kartenpreise. Die kommenden Konzertbesucher hätten es wahrlich verdient nicht nur van Veen-Zitate durch vier fantastische Musiker und einen eigentlich genialen Herman van Veen zu hören. Bisher bleibt er unter seinen Möglichkeiten- schade!!!!
1. November 2009 — 10:47