Der Abschied von der 100-Watt-Birne bewegt die Menschen. Nicht nur in Deutschland übrigens, sondern europaweit. Seit dem 1. September darf sie nicht mehr produziert werden, die energiesparenden Modelle sollen in die Fassungen gedreht werden. Nach und nach müssen wir uns nun von der klassischen Glühbirne, dieser 130 Jahre alten Erfindung verabschieden.
Anlass genug, ein paar glossierende Worte zu schreiben, dachte ich mir.
Hier nun der Text aus der Aachener Zeitung vom 2. September 2009.
Der schöne Schein
Zum Abschied von der 100-Watt-Birne
Im schönen Schein einer matten 100-Watt-Birne wurde ich geboren. Ich bin mir da sicher. Denn damals hatte das Bild vom Licht der Welt noch einen Namen. Ja, damals wurde zwar an vielem gespart, aber nicht an Energie. Hat es uns geschadet? Nein!
100-Watt-Birnen haben mich ein Leben lang begleitet. Sie schaukelten in der von einem zerbeulten Blechschirm geschützten Lampe in der Holzwerkstatt meines Großvaters. Dort, wo noch gehobelt wurde, und nicht nur die Späne flogen. Damals. Die Birne beleuchtete als eine Art Flutlicht im Kinderzimmer den Kicker, auf dem wir das kommende Bundesliga-Wochenende ausspielten. Und die Farben der Trikots leuchteten, wie sie nur unter 100-Watt-Birnen leuchten konnten. Lichtecht.
Gute Zeiten, schlechte Zeiten ganz egal, hell war es bei uns immer. Eine 100-Watt-Birne war kein Schnickschnack, sie war ein Bekenntnis zur klaren Linie, zum schnörkellosen Ein und Aus, zu ehrlichen Momenten jenseits dunkler Ideen.
Was geht über die freundliche Helligkeit dieser Lichtquelle?! Als die Winter noch kalt waren und die Eisblumen die Butzenscheibchen unseres kleinen Häuschens zierten, spendete die 100-Watt-Birne über dem Küchentisch nicht nur Licht, sondern auch Wärme. Eine 100-Watt-Birne war und dazu stehe ich eine 100-Watt-Birne.
Es geht mir ans Herz, dass all das jetzt vorbei sein soll. Es geht mir nahe, dass nur um ein Beispiel anzuführen der Mann einer Kollegin, der seit Jahrzehnten im Keller im Schein einer grundsoliden 100-Watt-Birne die Wäsche bügelt, sich künftig im kalten Gefunzel einer Energiesparlampe die Knochen verbrennt.
Wir sollten eine Partei gründen. Gegen die Bevormundung, gegen den Technikwahn, gegen dunkle Gestalten, die trübe Verordnungen aushecken und dabei denken, helle Köpfe zu sein.
Ja, ich gebe es zu: Ich habe hamstergekauft. Mein ganzer Stolz ist jetzt ein Kellerregal voller 100-Watt-Birnen. Ich habe in die Nischen matte Birnen aller Watt-Zahlen gepackt und gestern Abend mit einem Bierchen ein halbes Stündchen davor gesessen. Schön war’s und erhellend. Ich schätze, es handelt sich um ein Birnenkomplott.