Doch jetzt, mit 64, weiß sich Herman van Veen auf meinem eigenen Weg. Er macht eine Pause: Im Augenblick ist das, was auf der CD zu hören ist, mein Blick auf die Welt. Rund 150 Tonträger, über 60 Bücher und tausende Auftritte zwischen Kerkrade und Kapstadt hat van Veen hinter sich gelassen. Zuletzt brillierte er 40 ausverkaufte Abende lang im Theater Carré in Amsterdam, eine feinere Adresse findet man dort nicht. Es war ein nicht enden wollender Triumphzug mit Ovationen und allerbesten Kritiken, die fast schon Verneigungen waren. Und mit dem Programm, das stark von den Stücken dieser neuen CD geprägt ist. Van Veen lacht: Ja, es war großartig, doch die Erinnerung zerrinnt wie die Schneeflocke in der Hand.
Wie gut, dass dieser Mann Augenblicke festzuhalten weiß. Amsterdam und der chronische Regen, Liebeserklärungen an seine Familie, an die Eltern, die Kinder, seine Frau, Erinnerungen an damals, obwohl und dieses Zitat gefällt ihm selbst sehr gut: So schön, wie es früher war, ist es früher nie gewesen.
Ein Mann singt so poetisch über Gott und die Welt, so ironisch über seinesgleichen, die Männer. Er holt seine Zuhörer in ihrem Leben ab. Kein pädagogischer Zeigefinger wird gehoben, van Veen erzählt von Gerechtigkeit, er schwärmt von einem friedlichen Miteinander. Wenn jeder anders ist, ist dann nicht jeder gleich?, fragt er etwa im Song Köln Ehrenfeld, der den Streit um den Moscheebau am Rhein thematisiert. Van Veen kann über sich selbst und sein Alter lachen, versichert jedoch: Das meiste kann ich noch zumindest, wenn ihr zuguckt!
Feinfühlige Balladen wärmen das Herz, geprägt von der Gitarre, die Edith Leerkes wie kein(e) andere(r) beherrscht, und von einem spielfreudigen Ensemble aus Könnern. Keine Experimente, die van Veen im Augenblick wagt, warum auch? Seine Sicht auf die Dinge ist kraftvoll genug, sie verändert sich schleichend, der Kern seiner Botschaft ist geblieben: Ein wohlmeinender Humanist vertont sein Denken und hat ein zärtliches Gefühl. Denken hält mich fit, sagt er. Ich muss nicht joggen. In seiner Brust verwaise nichts, ergänzt er noch, es ist noch alles vorhanden, beständiger als Stein. Natürlich kommt der Niederländer, der mit seiner Frau Gaetane Bouchez in der Nähe von Utrecht ein bisschen sesshaft ist, wieder auf Deutschland-Tour. Die Abläufe sind klar, der Rhythmus immer gleich. Wir beginnen in Flandern, dann kommen die Niederlande, Deutschland, die Schweiz, Österreich, Frankreich, dann die USA, Afrika, und schließlich geht es zurück nach Flandern, beschreibt van Veen die Tournee als eine kreative Reise, auf der dann auch wieder viel passiert, und bei der sich Dinge verändern. Und er räumt auf mit dem Gerücht, dass er all seine Texte in der Heimatsprache schreibt, um sie dann anschließend ins Deutsche, Englische und Französische zu übersetzen. Wahr ist, dass die Originaltexte Sätze in allen vier Sprachen haben.
Der Weltenreisende zieht weiter. Das ist gut so. Aber im Augenblick sieht er die Dinge, wie sie auf der neuen CD zu hören sind.
***Mehr lesen:
Van Veen im Netz: Informative Homepage
Das Weblog von Herman van Veen wird regelmäßig bestückt, hier erzählt van Veen – das ist verbrieft und man liest es aus jeder Zeile wirklich selbst. weblog sehr lesenswert
Am kommenden Donnerstag spielt er mit Edith Leerkes im Alten Kurhaus in Aachen ein Sonderkonzert. Ist ausverkauft. Die Tourneedaten für „Im Augenblick“ gibt es hier.
Seiten: 12
Musikhempi sagt:
Oldenburg, 31.10.09
Leider muss man die eigentlich stets euphorische Aufnahme von Herman van Veens Konzerten/Liedern/Performance gegenwärtig ein bisschen zurückschrauben. Deshalb folgende Einschätzung von mir, der ich van Veen seit fast 30 Jahren begleite und allmählich zu dem Schluss komme:
Herman van Veen zitiert sich nur noch selbst
Gestern gastierte Herr van Veen in der Weser-Ems-Halle in Oldenburg.
Obwohl seit 1968 vierzig Prozent des van Veen-Publikums gestorben sein sollen, ist der Saal sehr gut besucht. Die Erwartungen sind hoch. Was hat der Star für diesen Abend mitgebracht? Zunächst mal muss man feststellen er hat den Vorhang vergessen. Die Bühne liegt in blaues Licht gehüllt gänzlich unverhüllt da. Ein nicht zu unterschätzendes Mosaik. Zu Beginn darf das Publikum lernen zu regnen ein einfacher aber schöner Effekt. Darauf scheißen die Tauben Amsterdam weiß und es regnet und regnet und regnet, und wenn es nicht regnet dann fängt es an zu regnen. Mit diesem Opener ist van Veen schon seit gut 2 Jahren unterwegs (auch hier in Oldenburg in der Kulturetage nur mit Edith Leerkes mit unter vier Augen). Ebenso verhält es sich mit zahlreichen anderen Stücken: Die beiden Hunde, die sich an der ehemaligen Mauer anpinkeln, das Fieberthermometer hinterm Ohr, Amsterdam Flussviertel, Bei mir, Anne, die göttliche Psychose, Anders anders, Johnny, der Klavierhocker, Für Marie-Louise etc.
Van Veen hat nicht wirklich viel neues im Gepäck, es gibt nicht mehr wie früher einen roten Faden und die überwältigende Dichte, den schmerzenden, jähen Wechsel von tiefem Ernst zum heiteren, absurden oder komischen Clown und zurück. Alles wirkt angerissen, nicht ernsthaft, es plätschert so dahin. Das Publikum ist gut und vergisst nicht sofort zu regnen (ein Teil des Publikums reibt sich die Hände, ein Teil schnippt und ein dritter Teil klopft die Schenkel), wenn Herman van Veen das Wort Regen fallen lässt. Kurz vor der Pause scheint ganz kurz, viel zu kurz auf, was man sonst vermisst: Michelangelo schafft Götter aus Stein und van Gogh zaubert aus einem Farbtopf die Sonne aber alle diese großen Männer machen Pippi. Früher gab es Momente, da schien die Zeit für einen Moment im Saal still zu stehen, wenn van Veen Lieder sang wie Ich hab ein Zeichen an Deiner Stirn gesehen, Grand Hotel Deutschland, You take my breath away, Was ich Dir singen wollte, Alles unter einem Hut, Möglicherweise ein Walzer, Ochtend in de stad, Laat me/Lass mich
Du bist die Ruh oder selbst Amsterdam Flussviertel. Heute scheint es, als ob es keine Zeit mehr gäbe, das Konzert gerät ein bisschen zu einer fahrigen Werkschau, die leider nicht wirklich gelingt. Der gewählte Titel der Vorstellung Im Augenblick erklärt sich im Laufe des Abends nicht, der leider zu schnell zu Ende ist. Die Erwartungen an den Abend werden nicht erfüllt, da van Veen zwar die Zahl der begleitenden Musiker erhöht hat, nicht aber das musikalische Spektrum erweitert. Eine weitere Geige ist kein Saxophon, Akkordeon oder eine Klarinette durch solche Instrumente entstanden früher wunderbare Momente und Klangfarben, die man schmerzlich vermisst. Bei den Zugaben beschränkt sich van Veen auf deren zwei die Zeit tickt dir eine kleine Frist und Ohne dich- schöne Lieder ohne Zweifel, aber auch schon seit Jahren die gleichen. Es gäbe so viel aus dem riesigen Repertoir van Veens darzubieten was das Publikum genießen würde aber es bleibt ungehört.
Die Tournee hat gerade gut begonnen. Zu hoffen bleibt, dass van Veen das Konzept der Vorstellungen schärft und seinem treuen Publikum etwas mehr (Neues) bietet gerade auch angesichts der nicht unerheblichen Kartenpreise. Die kommenden Konzertbesucher hätten es wahrlich verdient nicht nur van Veen-Zitate durch vier fantastische Musiker und einen eigentlich genialen Herman van Veen zu hören. Bisher bleibt er unter seinen Möglichkeiten- schade!!!!
1. November 2009 — 10:47