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Das Aachen-Blog

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Et Jeld is voll!

Es gibt so schöne Momente im Öcher Leben, die auch in der größten Hektik des vorweihnachtlichen Treibens ein Lächeln in die Mundwinkel zaubern. Etwa dieser im Supermarkt um die Ecke, der auf personalsparende Scan-Kassen setzt und mit der Empfindlichkeit der Anlage das Personal gleich doppelt einbindet. Dauerton vom Band: „Bitte wenden Sie sich an das Kassenpersonal!“

Kleingeld, kurz vor dem Weg in den vollautomatischen Kassenvollautomaten.

Auf alle Fälle wieder diese Ansage, nichts geht mehr an Scannerkasse 3, „bitte wenden Sie sich an das Kassenpersonal!“ Und der arme Tropf im Lebensmittelkettenoutfit, in dem Fall eine Kassiererin, eilt herbei. Was hat der Apparat? Warum scannt er nicht mehr? „Wie jeht es jetzt weiter“, fragt der ratlose Kunde, der zugibt, dass er sich gerade zum ersten Mal „an dat Ding jetraut“ und nun prompt ein schlechtes Gewissen hat.

„Hab ich wat falsch jemacht“, fragt der Mann die hilfsbereite Frau im Kittel. „Wenn ich dat wüsste“, sagt sie und sucht nach der Ursache des Stillstands an Kasse 3. Es dauert eine Weile, die Analyse läuft, von hinten ruft eine Frau, „ob es denn heute noch weitergeht“. Da hat die Kassiererin des Übels Kern erkannt und meldet erleichtert: „Ah, jetzhabbijet!“ Und ebenso präzise wie erleichtert: „Kann auch nich‘ klappen, et Jeld is voll!“

Okay, et Jeld is voll, das ist eine plausible Erklärung. Nachhilfe für die Nicht-Scan-Kassen-Kenner: Am vollautomatischen Kassenvollautomaten kann man natürlich auch mit Kleingeld zahlen (wie früher bei der Kassiererin). Und zu diesem Zwecke gibt es einen Münzeinwurf, über den das Geld in ein vollautomateninternes Münzfach plumpst. Und dieser Behälter war – ja, man kann sagen – quasi am Überlaufen. Was für uns Öcher so viel heißt wie: „Et Jeld is voll!“ So einfach ist das.

Dr Mönsterpläj

Die Idee ist famos, die Ausführung schmeichelt sich ins Auge. Man darf also von einem schönen Akzent für das Stadtbild sprechen: Im Herzen unseres Städtchens sind nun die ersten Straßenschilder auf Öcher Platt zu sehen! In Schwarz auf Gelb, und verziert mit dem Absender des Ideengebers, nämlich dem Verein „Thouet-Preis der Stadt Aachen“, prangen an der Ecke Schmiedstraße/Kleinmarschierstraße/Münsterplatz nun Zusatzinfos der besonderen Art. Hier heißt es: Ongerjen Schmeä/Klengmaschechstroeß/Mönsterpläj.

Mönsterpläj! Wie oft de Oma das früher gesagt hat: „Va Ponkpooetz trecke vür dörch Ponk noh dr Maat, de Kriem erav noh dr Mönsterpläj“ – ein herrlicher Stadtspaziergang von Ponttor über den Markt bis zum Münsterplatz!

Genau diese nostalgischen Gefühle wecken die neuen Schilder. Im neuen Jahr folgen in der Innenstadt noch ganz viele – und dann freuen wir uns über die Namen, sprechen sie laut aus und haben Spaß an diesem Öcher Flair.

Und hier noch weitere Perlen unter den Öcher Straßen:

Tolbetstroeß (Adalbertstraße); Bejaadejrav (Alexianergraben); Pärvesch (Domhof); Feschmaat (Fischmarkt); Maschechstroeß (Marschierstraße/heute Franzstraße); Honndermaat (Hühnermarkt), Jokebstroeß (Jakobstraße); Jängstroeß (Jesuitenstraße); Könnekstroeß (Königstraße); Open Rues (Rosstraße); Open Sankel (Sandkaulstraße); Wirresbonget (Wirichsbongardstraße).

Wemmeremmemal sehen…

Mitunter überlegt man beim mal forcierten, mal entspannten Gang durch das Städtchen, ob das, was da gerade ins Ohr geflogen kommt, nicht ein paar Zeilen wert wäre. Und diesmal ist die Frage schnell beantwortet: klares Ja.


Denn der folgende Dialog auf Höhe des Elisengartens, kurz hinter dem Klohäuschen parkseitig, an einem mittelschönen Mittwochmittag zur Aufführung gebracht, ist notierens- und erzählenswert.

Zwei ältere Herrschaften, sie und er, haben sich wohl nach Jahren zufällig an diesem Ort wiedergetroffen. „Oes, et Luise!“ – „Nein, dr Joachim!“ – „Wie isset?“ – „Jut, un selbs‘?“ – „Wat machen de Kinder?“ – „Wohnt’r noch in Horbach?“ – „Un de Mutter?“ – „Tot.“- „Ochhärrm!“ – „Hör emal, un wat macht dr Heiko, deä Schatzemann?“ Solche Sätze.


An der nun erreichten Stelle wird es interessant im Dialog. „Dr Heiko“, offensichtlich Luises Sohn oder Enkel, man weiß es nicht – ist aber auch ejal – hat wohl nur noch losen Kontakt zur heimatlichen Basis. Die Grüße, die Luise auf alle Fälle von Willi „am Heiko“ bestellen soll, wenn er denn mal vorbeischaut, kommentiert sie mit dem wundervollen Satz: „Wemmeremmemal sehen, könnemmeremmemal jrüßen!“ Originalwortlaut. Exakt so.


Wolltemmernuremmalsaren.

„Können Se vielleich‘ mal de Klappe halten!“

Schon als sie  den Laden entert, ist allen klar: Achtung, jetzt kommt Schwung in die Bude!

Ja, das ist im Supermarkt ungewöhnlich, wenn ein gestandenes älteres Mädchen, das nicht weit von Wurm und Pau geboren sein kann, mit dem Eintritt ins Einkaufsparadies ein fröhliches „Juten Morjen zesammen“ anstimmt. Öcher Höflichkeit, offensiv mit einem schelmischen Lächeln garniert.

Wie damit umgehen? Ein Mittvierziger mit Kiwi-Kirsch-Smoothie im Einkaufskorb schaut verlegen in die Tiefkühltheke und riskiert Erfrierungen zweiten Grades, zwei Studentinnen tuscheln und glucksen Richtung junges Gemüse.

Mehr ist es nicht, nur ein kurzer schöner Moment, der nicht lange nachwirkt, der sich vielmehr im Einkaufstrott schnell wieder verflüchtigt. Und so geht es im Galopp durch den Markt, für mich heute Milchreis, Banane, lecker, flott noch rüber zum Brot.

Dieses Plexiboxenwunderwerk mit ungezählten Schubladen und Klappen hat die Faszination der ersten Einkäufe auch längst verloren,  und doch ist es immer noch eine Herausforderung. Hier gilt es, mit einer Blechzange, die – Achtung, neue, überarbeitete Version! – mit einer flexiblen Schnur sich nicht mehr verheddert,  das gewünschte Backwerk zu greifen. Das fordert gestandene Käuferinnen und Käufer gleichermaßen, weckt auch einen gewissen Ehrgeiz, diesmal unfallfrei das Käsebrötchen in die Tüte zu bugsieren.

Mal klemmt die Zange, mal flutscht das Röggelchen weg, mal bleiben Greifwerkzeug und Brötchen im Klappgitter, eine Art Rausfallschutz an der Schubladenfront, hängen. Und manchmal lässt sich dann mit der anderen Hand diese blöde Tüte nicht aufklappen. Also, volle Konzentration.

Es läuft gut an diesem Tag. Das mit Frischkäse gefüllte Blätterteighörnchen ist auf Tütenhöhe, da kommt wie aus dem Nichts der scharfe Hinweis von rechts unten: „Können Se vielleich‘ mal de Klappe halten!?“

De Omma! Unverkennbar. Sie kämpft ebenfalls mit Zange und Tüte bewaffnet tapfer, aber auch rosetig um die Befreiung eines Sesambrötchens aus dessen Kerker. Das Problem besteht darin, dass die Öcher Kundin „keine dritte Hand freihat“, wie sie sagt, um die Plexiglasklappe vor der Schublade „auch noch hochzehalten“.

Die Klappe hält sie deshalb, weil das von der Größe her hinkommt, mit der Stirn fest, jetzt wird es aber ein wenig eng im Aktionsraum zwischen Nase und Schublade für Zange, Brötchen und Tüte. „Dat es för ze frecke! Wat ene Stronx!“ Kurze Stille. Und mit einem Mal  fängt sie laut zu lachen an. Das ist wie eine Befreiung. Alle Umstehenden lachen mit. Schon skurril, so eine moderne Brotbox. Und so wohltuend, wenn im Supermarkt mal alle zusammen Spaß haben. Zusammen haben wir das übrigens dann geregelt mit dem Sesambrötchen.

Ich habe noch nie so gerne die Klappe gehalten.

Unsere Stadt. So schön.

So schön, unsere Stadt. Heute mal Kornelimünster. Ein klirrend kalter Winternachmittag, die Sonne geht früh unter – ein feines  Licht. In einem kleinen Weiher vor der Benediktinerabtei spiegelt sich der Mond.

Und wieder: durchatmen und genießen.

Ein Instagram-Foto aus dem reichhaltigen Aachen-Bilderangebot von 7uhr15ac auf Instagram.

„Kein Wetter“ und immer die gepackte Tasche im Kofferraum

Wir sprachen über dies und das. Wie man das so macht, wenn man sich nach dem Urlaub wiedersieht. Schön hätte es sein können, meinte mein Kumpel, am Meer. „Wenn wir nur Wetter gehabt hätten!“ Aber es gab „kein Wetter“, Kopfschütteln, es muss schlimm gewesen sein, „einfach kein Wetter“. Seine Kinder hatten das schon auf der Postkarte an die Oma so angedeutet: „Wir haben hier nur leider kein Wetter.“

Dauerregen zwischen Domburg und Vrouwenpolder. Man sagt das so: kein Wetter. Ein drolliger Begriff,  genau genommen darf man sich das als einen interessanten Zustand vorstellen.

„So wie hier“, deutete mein Freund durch die von dichten Regentropfen schön verzierten Fensterscheiben nach draußen. Dä, auch kein Wetter!

Und so mullt  man weiter und kommt nach relativ kurzer Zeit darauf, dass dieses „kein Wetter“ ja früher „unser Wetter“ war.  Damals, der Aschenplatz, die Pfützen, Seenlandschaft in Aachens Osten, im Schatten des Schrottplatzes. Weißte noch! Schlagartig hebt sich die Stimmung. Da geht im strömenden Regen die Sonne auf. Oes, unser Wetter, die Grätsche mit dem janz langen Anlauf, in der Pratsch. Sickenass, aber in Führung – und so was von jlücklich!

Erinnerungen sprudeln, wie früher die Tore fielen. Im Starkregen aus den schwarzen Wolken über Rothe Erde. Da oben hat einer den ganz großen Kran aufgedreht. Was für ein Wetter! Und der Trainer hatte wieder gesagt: „Wenn wir nich´ jewinnen können, müssen wir nur kucken, dat wir nich‘ verlieren!“ Ein Philosoph.

Es pladdert Geschichten

Insgesamt verschwimmen die Fakten ins Schwärmerische  – okay, wir waren schon Granaten, aber waren wir echt so oft Meister, wie wir das heute gerne erzählen? Es changiert ins Schöngefärbte, es pladdert Geschichten.

Doch eins stimmt: Es war eine grandiose Zeit. Man sagt ja gerne, dass es nun wahrlich Wichtigeres gibt als den Fußball. Aber ehrlich: was denn?

„Und ich hatte immer ˋne jepackte Sporttasche im Auto“, sagte mein Kumpel. „Man weiß ja nie, wo sich die Gelegenheit ergibt oder wann du gebraucht wirst…“

(Foto nachgestellt)

Er hat nicht erzählt, dass diese gepackte Tasche ihm tatsächlich vor Jahren an einem Weißen Sonntag zum Verhängnis wurde. Seine Tochter ging zur Kommunion, es war auch so ein „Kein-Wetter-Tag“. Schauerlich, Mütter sollen geweint haben. Im Stimmungstief.

Also eher unser Wetter. Und die „Dritte“ hatte Personalsorgen, hieß es – geheime Info – nach der Festmesse. Und mein Kumpel  hatte die Tasche im Auto…

15 Uhr Anstoß

Nach dem Kommilijonsmittagessen hat er sich verdrückt, 15 Uhr Anstoß auf der Seenplatte. Zur Andacht schlich er sich am  frühen Abend dieses janz besonderen Tages von hinten in die Kirche. Sein Lächeln machte sich beim ersten Blick seiner Frau vondannen.

An einem Sonntag, an dem wir bis dahin kein Wetter gehabt hatte, drehte sich mit einem Schlag der Wind. Zuhause, quasi in der Nachspielzeit. Es soll, so war später zu hören, zu einem lokalen Donnerwetter mit Blitz und orkanartigen verbalen Tiefausläufern gekommen sein.

Fiel mir nur ein, als wir davon sprachen: von den Tagen, die ohne Wetter auskommen müssen.

Linien, so schnack wie das Leben

Das sind die Komplimente, über die sich der Platzwart freut: „Oes, Jong, dat sind wohl schnackjetrockene Linijen.“

Unserem Meister des blitzsauber geführten Kalkwagens damals in Rothe Erde konnte man mit solchen Worten eine Freude machen. Der große, aufrechte, manchmal grimmige, aber eigentlich zuvorkommende Mann, der so hieß wie damals ein Drittel aller Öcher hieß, nicht Josef oder Peter, sondern Heinz. Dieser Hein lächelte bei lobenden Worten über die Präzision seiner Linien immer: „Jut, jelernt is jelernt.“

Jut, jelernt is jelernt!“

Platzwart Hein

Wie Linien aussahen, die von Ungelernten gezogen waren, haben wir im Laufe eines Fußballerlebens oft genug gesehen  und bisweilen bestaunt: Ich meine mich an einen knochentrockenen Ascheplatz in Mariadorf erinnern zu können, der wellig gestrichelt am Ende dreieckig zulief. Naja.

Zurück nach Rothe Erde und zum Meister: Ich hätte damals als Libero der C-Jugend der Rhenania alles darum gegeben, hätte der Hein einmal beim Markieren auf meiner Höhe gestoppt. Sagen wir, auf Höhe des Kopfballpendels, wo wir gerade im knöcheltiefen Sand standen, um einen viel zu hoch an einem Seil baumelnden Lederball wegzuköpfen. Hätte er doch gestoppt und gesagt: „Hör, willst Du emal e paar Linien machen?“ Er hat das nie getan.

Dass Kindheitsträume auch noch in viel späteren Jahren in Erfüllung gehen können, davon darf ich hier berichten. Als wir in diesen Tagen mit unseren Jungs in Walheim – übrigens auch eine C-Jugend – ein Turnier ausrichteten, fiel schnell auf, „dass der Rasen noch markiert werden muss“.

Kriegt man solche Vorlagen zweimal im Leben? Ich habe diesmal nicht darauf gewartet, dass mich einer gefragt hätte, ich bin einen Schritt nach vorne getreten und habe mit fester Stimme gesagt: „Dat mach ich!“ Gut, die Konkurrenz war nicht groß, vielmehr hatte ich das Gefühl, dass die Anderen froh waren, einen Jeck gefunden zu haben. Aber das war mir von so viel Glück Beseeltem egal.

Was für ein wunderbares Gefühl, mit einem Kreidewagen an einem sonnigen Freitagabend über den Rasenplatz fahren zu dürfen!  Was sag ich, Kreide?! Mit einem rollenden Kasten, der mit Flüssigkalk gefüllt war – und den unser Handwerker-Genius Herbert selbst gebaut hat – konnte ich Meter um Meter die noch leicht durchschimmernden Markierungen auffrischen.

Ich flog mit dem glucksenden, die Farbe sprutzenden Gefährt über das Grün. Arbeit, die sich lohnt, ein sichtbares Ergebnis. Bestaunenswert! Ein schöner präziser Mittelkreis, der „Secksehner“, die Torlinien. War das schön, das Schulterklopfen der Anderen, und dann das anerkennende, fast philosophische  Wort aus berufenem Mund: „Oes, Jong, dat sind Linien, so schnack wie et Leben.“

Ein stolzer Blick zurück. Stimmt.

Op dr Maat

Um direkt den ersten Fragen vorzubeugen, was denn die Überschrift bedeutet: Auf dem Markt, so würde das in jutem Deutsch heißen.

Aber sie ist bewusst gewählt, die Überschrift, weil der Aachener Markt, also dr  Öcher Maat, tatsächlich noch ein wenig von dem Klang besitzt, der ihn einst so unverwechselbar machte: Es gibt sie nämlich noch, die klassische Marktfrau, die man wahrscheinlich nicht mehr Marktweib nennen darf. Obwohl sie sich selbst – zumindest jene, an die ich gerade denke –  vermutlich doch geschmeichelt fühlte, wenn ich sie hier als Maatwiiv bezeichnen würde.

Also, wer das Vergnügen hat, auf dem Markt, genauer über dem Markt zu arbeiten und nicht selten den Wochenmarkt zu kreuzen, verliebt sich nicht nur in die Farben und das Flair des dienstäglichen und donnerstäglichen fröhlichen Treibens, sondern auch in die bisweilen aufblitzende Klangfarbe.

„Dat et wahl noch fies  koet“ ist, deutete besagtes Öcher Maatwiiv einem jungen Mann, einem Kunden, der gerade „Äppel än Druvve jejolden“ hatte, früh am Morgen an. Der freundliche Obstkäufer verstand die Botschaft nicht, unsere Marktfrau wurde präzise: „Ohwei, Du verstehs‘ mich nich‘, wa Jung. Ich sagte, dat et wohl noch für zu frecken kalt is‘!“ Ach so, jaja, kam zur Antwort. Stimmt! Für zu frecken…

Allgemeines Gelächter, freundliche Verabschiedung: „Bes op en anger Kier.“ Lang lebe dr Öcher Maat än sing Wiiver!